Es gibt viele allgemeine Tipps und Richtlinien, nach denen du dich richten kannst, um Fachartikel möglichst nach den Bedürfnissen der Zielgruppe zu gestalten. Einfache Sprache verwenden, eine sinnvolle Struktur, hilfreiche Grafiken, ein Styleguide … Das alles hilft dir sicher dabei, deine Artikel benutzerfreundlich zu schreiben. Doch manche Bedürfnisse von Nutzer*innen sind schwer vorhersehbar, wenn du deine Nutzer*innen nicht gut kennst. Welche Menüstruktur wird von ihnen als intuitiv empfunden? Nach welchen Informationen suchen sie am häufigsten? Welche Fachterminologie ist ihnen vertraut? Natürlich kannst du ausgehend vom Inhalt oder deiner eigenen Rolle im Team Vermutungen anstellen. Damit kannst du aber auch schnell danebenliegen. Und dann investierst du möglicherweise viel Zeit in etwas, das für deine Leser*innen nicht intuitiv ist und sogar zu Frust führt. Frust, den du leicht vermeiden kannst, indem du in Kontakt mit deinen Leser*innen trittst und mehr über ihre Bedürfnisse herausfindest. Lass uns gemeinsam einen Blick darauf werfen, wie du diesen Anforderungen auf den Grund geht.
Passiver Erkenntnisgewinn
Der einfachste Weg, etwas über deine Nutzer*innen zu lernen, ist natürlich, sie mit Feedback auf dich zukommen zu lassen. Das kannst du auf verschiedene Arten erreichen, aber nicht alle davon führen zu den Ergebnissen, die du dir vielleicht wünschst.
Was hält Nutzer*innen davon ab, dir Feedback zu geben?
Zunächst einmal musst du verstehen, dass du nicht automatisch die Erkenntnisse gewinnst, die du dir erhoffst, nur weil du die Möglichkeiten dafür bereitstellst. Das liegt daran, dass deine Nutzer*innen verschiedene Hürden zu überwinden haben:
- Mentale Hürden: Kennst du das? Du liest irgendwo etwas, das dir falsch erscheint oder du glaubst, das könnte man viel besser machen. Aber du machst dir nicht die Mühe, der Person, die etwas daran ändern könnte, Bescheid zu geben. Nicht weiter schlimm, das geht den meisten so. Unterbewusst erscheint uns der Aufwand, den oder die Ersteller*in des Inhalts zu kontaktieren, gigantisch und die gefürchtete Anstrengung, selbst aktiv zu werden hält uns davon ab, den Input zu geben, den wir geben könnten. Da muss das Thema für uns persönlich schon sehr relevant sein oder großen Einfluss auf andere haben, damit wir auch nur daran denken, es vielleicht mal anzusprechen.
Daher kann es hilfreich sein, Anreize für Rückmeldungen zu setzen. Das Prinzip „Gamification“ zum Beispiel kann da helfen. Dabei erhalten Nutzer*innen, die sich oft einbringen, Punkte oder Expert*innentitel. Oder Verfasser*innen wertvoller Beiträge werden öffentlich anerkannt. Überleg dir doch einmal, was du für Nutzer*innen tun kannst, um ihre Beiträge zu würdigen und anzuerkennen.
- Technische Hürden: Auf der technischen Ebene kann jeder noch so kleine Schritt der Punkt sein, an dem der oder die Nutzer*in es sich doch anders überlegt, weil es einfach zu anstrengend ist. Wenn ein Kontaktformular z. B. mehr als die notwendigen Informationen abfragt, könnten Nutzer*innen irgendwann frustriert aufgeben, weil so viele Felder ausgefüllt werden müssen oder weil sie Bedenken wegen der Sicherheit ihrer Daten haben. Aber auch kleinere Unbequemlichkeiten, wie eine neue Seite öffnen zu müssen, können zu viel sein, wenn die Nutzer*innen nicht fest entschlossen ist, Feedback an dich zu übermitteln.
Deshalb ist es wichtig, dass Rückmeldungen schnell und einfach möglich sind, mit so wenigen Schritten wie möglich, intuitiv und simpel.
Möglichkeiten zum passiven Erkenntnisgewinn
- Kontakt über E-Mail: Viele Wissensdatenbanken bieten eine zentrale Anlaufstelle und verschiedene Möglichkeiten, die/den Autor*in von Fachartikeln direkt zu kontaktieren. Aber an einem vollen Arbeitstag kann selbst eine zusätzliche E-Mail ein zu großer Aufwand sein, wenn Nutzer*innen keinen großen Vorteil darin sehen, sie zu schreiben. Damit Leser*innen eher bereit sind, dich per Mail zu kontaktieren, kannst du eine vorausgefüllte E-Mail bereitstellen (über einen speziell konfigurierten „mailto“-Link oder eine E-Mail-Vorlage), in die Nutzer*innen nur noch den eigentlichen Input eingeben müssen. Aber auch ein Kontaktformular kann eine gute Möglichkeit sein:
- Kontaktformular: Ein Kontaktformular fühlt sich vielleicht weniger wie eine Hürde an, als eine E-Mail zu verfassen, da es bereits eine Struktur und eingeschränkte Eingabemöglichkeiten vorgibt, man nicht die Umstände erklären oder sich Gedanken über Betreff, Grußformel und so weiter machen muss. Achte aber besonders darauf, so wenige verpflichtende Felder wie möglich zu verwenden, um den Aufwand zu verringern und den Nutzer*innen nicht das Gefühl zu geben, dass du nur ihre Daten abgreifst.
- Seitenbewertung: Viele Anwendungen und Internetseiten bieten Funktionen zur Bewertung der Seite, bei denen Nutzer*innen gefragt werden, ob sie den Inhalt hilfreich fanden oder nicht. Das kann zwar dabei helfen, Inhalte zu identifizieren, die überarbeitet werden sollten (und deshalb so viele negative Bewertungen erhalten), aber abgesehen davon erfährt man dadurch weniger, als man vielleicht hofft. Nur zu wissen, dass ein bestimmter Inhalt viele schlechte Bewertungen bekommt, hilft schließlich nicht unbedingt dabei, das Problem zu beheben, da man erst einmal herausfinden muss, warum er von Nutzer*innen so schlecht bewertet wird. Natürlich könntest du auch einen kleinen Fragebogen einfügen, der diese Fragen beantwortet, aber auch diesen zeitlichen Aufwand gehen viele Leser*innen nicht gerne ein. (Über Fragebögen und wie sie beim aktiven Erkenntnisgewinn helfen können, erfährst du später mehr.)
- Kommentarbereich: In einem Kommentarbereich können Rückmeldungen einfacher und schneller abgegeben werden als mit E-Mails und über Kontaktformulare, da er weniger formell ist als eine E-Mail und sich normalerweise direkt unter dem Inhalt befindet. Ein Nachteil ist jedoch, dass andere Leser*innen den Kommentar sehen und möglicherweise beurteilen könnten (es sei denn, Kommentare können anonym abgegeben werden), was wiederum die mentale Hürde erhöht.
Ausgehend von diesen Möglichkeiten ist die Kombination von einem Kommentarbereich und dazu mindestens einer Option für die Kontaktaufnahme per E-Mail oder über ein Kontaktformular vorteilhaft. So gibt es sowohl schnelle und einfache als auch privatere Kontaktmöglichkeiten.
Bewertungsmöglichkeiten oder zusätzliche Fragebögen können helfen, umfassenderes Feedback von Nutzer*innen zu erhalten, dieser Input ist dafür meistens weniger hilfreich und wird insgesamt weniger genutzt. Diese Möglichkeiten solltest du also eher als ein Nice-to-have als ein Must-have behandeln.
Eingeschränkte Arten von Feedback beim passiven Erkenntnisgewinn
Nachdem wir uns nun ein paar Möglichkeiten angesehen haben, wie man passiv Erkenntnisse gewinnen kann, ist ein weiteres Problem deutlich geworden, das mit diesem passiven Ansatz zusammenhängt: Nicht nur gibt es einige Faktoren, die Nutzer*innen davon abhalten, dir überhaupt Input zu geben; außerdem ist dieser wahrscheinlich Input auf bestimmte Arten beschränkt, da du deine Leser*innen erst dazu motivieren musst, Rückmeldungen zu geben. Etwas an dem Inhalt muss deine Leser*innen dermaßen stören, dass eine ausreichend hohe Motivation zustande kommt, und das ist meistens bei Fehlern oder anderen größeren Unbequemlichkeiten der Fall.
So kannst du natürlich sehr wichtigen Input gewinnen, zum Beispiel Vorschläge für Updates, Korrekturen oder eine bessere Strukturierung. Manchmal erfährst du vielleicht sogar etwas über das Verhalten der Nutzer*innen. Aber Letzteres wird eher selten der Fall sein. Das liegt daran, dass dir Feedback über Dinge, die Nutzer*innen nicht zu starken Gefühlen animieren, schlicht durch die Lappen geht.
Du solltest also auf keinen Fall den Wert von Kommentaren, E-Mails und Kontaktformulareinträgen unterschätzen, die du vielleicht erhältst. Viel mehr Informationen erhältst du jedoch, indem du auch aktiv Input von deinen Nutzer*innen einholst.
Aktiver Erkenntnisgewinn
Anstatt dich darauf zu verlassen, dass deine Leser*innen mit Feedback auf dich zukommen, versuch doch einmal, aktiv nach ihren Bedürfnissen zu fragen. Hier sind einige Möglichkeiten, wie du deine Leser*innen besser kennenlernen kannst:
Fragebögen
Fragebögen fallen in die Grauzone zwischen passivem und aktivem Erkenntnisgewinn, je nach dem, wie du sie nutzt. Grundsätzlich ist eine Seitenbewertung auch ein Fragebogen. Wenn du aktiver nachhaken möchtest, kannst du direkt auf deine Leser*innen zugehen und sie bitten, einen Fragebogen auszufüllen, in dem du sie zu ihren spezifischen Bedürfnissen und Arbeitsgewohnheiten befragst. Wenn man sie differenziert einsetzt, können Fragebögen ein sehr wertvolles Tool zur Informationserhebung sein.
Falls du es schaffst, viele Leute zum Mitmachen zu bewegen, kannst du sogar eine repräsentative Umfrage zu den Bedürfnissen deiner Nutzer*innen daraus ziehen. Aber hab keine Angst, klein anzufangen. Auch ein paar wenige Beiträge können schon sehr interessante Einblicke liefern. Bedenke dabei aber auch, dass manche Rückmeldungen eher als Ausreißer zu betrachten sind und nicht für die Mehrheit deiner Leser*innen steht.
Teilnehmer*innen für Fragebögen zu finden, kann schwierig sein, da hier wieder dieselben mentalen und technischen Hürden wie zuvor greifen. Wenn möglich, biete auch hier einen Anreiz zur Teilnahme. Achte außerdem darauf, dass der Fragebogen nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, leicht zu bedienen ist und dass die Teilnehmer*innen eine gute Übersicht erhalten, wie weit sie schon sind, um Frust zu vermeiden.
Interviews
Auch Interviews mit Nutzer*innen sind eine tolle Möglichkeit, in Kontakt zu treten und Erkenntnisse zu gewinnen, vor allem, wenn du gerade erst damit anfängst, dich mit ihren Bedürfnissen zu beschäftigen. Du kannst Fragen zu so vielen Themen stellen, wie du möchtest, und hast die Freiheit, flexibel Nachtermine zu vereinbaren und den Nutzer*innen Raum zu geben, selbst Themen einzubringen. Außerdem kommst du so in Kontakt mit Nutzer*innen, denen du sonst kaum persönlich begegnen würdest. Wenn du einen positiven Eindruck hinterlässt, ist das eine super Werbung für deine Arbeit als Wissensmanager*in und es ist wahrscheinlich, dass diese Leser*innen dir gerne wieder Rückmeldung geben.
Ein Nachteil an Interviews ist, dass sie viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber auch in fünfzehn oder nur fünf Minuten kannst du leicht sehr wertvolle Einblicke gewinnen. Auch deinen Leser*innen tust du einen Gefallen, wenn du nicht zu viel ihrer Zeit in Anspruch nimmst und sich das Interview nicht wie ein riesiges Commitment anfühlt.
Wie bei Fragebögen brauchst du auch hier eine gewisse Anzahl an Teilnehmer*innen, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Du musst aber keine quantitative Usability-Studie durchführen. Alles ab fünf Teilnehmer*innen ist eine gute Basis, aus der sich Schlüsse ziehen lassen. Auch hier gilt: einige Aussagen sind eher als Sonderfälle anzusehen und stellen nicht die Norm da.
Regelmäßige Meetings
Eine weitere, tolle Möglichkeit, mit Leser*innen in Kontakt zu kommen und zu bleiben sind regelmäßige Meetings. Das muss kein dediziertes Meeting für Entscheidungen über die Wissensbasis sein, es reicht auch jedes andere regelmäßige Meeting, an dem du teilnehmen kannst.
Idealerweise sind es Meetings, in denen regelmäßige Leser*innen deiner Wissensbasis sowie Manager*innen und am besten auch Verantwortliche für Prozessänderungen sitzen. So gewinnst du sowohl Erkenntnisse über die tägliche Arbeit und Bedürfnisse deiner Leser*innen wie auch über die Bedürfnisse der Manager*innen und über Prozessänderungen, die sich auf die Dokumentation in der Wissensbasis auswirken könnten. Du wirst einiges erfahren, das dir beim Verbessern der Wissensbasis helfen kann und kannst, falls notwendig, Fragen stellen.
Außerdem verbesserst du die Beziehungen zu den anderen Teilnehmer*innen des Meetings und knüpfst wichtige Kontakte für weitere Fragen. Du baust auch Vertrauen zu deinen Leser*innen auf, wodurch sie in Zukunft eher auf dich zukommen, falls sie Änderungsbedarf in der Wissensbasis sehen. So überwindest du ein paar der Kommunikationshürden der Feedbackkanäle, über die wir am Anfang gesprochen haben.
Weiter nach Erkenntnissen suchen
Wenn du einmal damit angefangen hast, über die oben erläuterten Möglichkeiten Erkenntnisse zu gewinnen – mach weiter! Je mehr du lernst, je besser dein Verständnis der Prozesse und Bedürfnisse der Nutzer*innen wird, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich, die Wissensbasis zu erweitern und für andere Leser*innen noch wertvoller zu machen. Vielleicht verwaltest du deine Wissensbasis bald ganz anders!